Was ist normal?

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Ich hatte das Vergnügen, vor einiger Zeit das Musical "Der Glöckner von Notre Dame" zu sehen. Viele werden die Geschichte von Victor Hugo (französischer Schriftsteller) oder den Film von Disney kennen. Als ich die Darbietung am geniessen war, wurde ich immer nachdenklicher. Unglaublich wie viele Themen dieser alten Geschichte (1831) noch in der heutigen Zeit aktuell sind. Auch wir streiten uns in der Gesellschaft noch über das, was "normal" ist. Doch weshalb?

Was ist normal?
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Was ist normal?

Die Menschen unterscheiden gerne zwischen "normal" und "nicht normal". Wir wollen unsere Normalität schützen, indem wir bedrohliches, beängstigendes und unbekanntes als "nicht normal" bezeichnen.

Nehmen wir das Beispiel der Migration in Europa. Viele Leute fürchten sich vor der Veränderung, den fremden Religionen oder stören sich an den unbekannten Lebensweisen. Viele der oft beschriebenen Wutbürger bezeichnen in der Hilflosigkeit die Migranten und deren Verhalten als "nicht normal". Dahinter steckt nicht einfach Böswilligkeit, viel mehr ist es eine Verunsicherung. Also benennt man es "nicht normal" und schon stimmt das eigene Weltbild wieder. Es gibt auch positive Verwendungen von "nicht normal" sein, die auf eine komische Weise ehrenvoll sind. Leute die aussergewöhnliche Leistungen erbringen, sei es beispielweise im Beruf oder Sport,  werden auch als "nicht normal" bezeichnet. Sie tun mehr als erwartet wird und kriegen deshalb diesen Stempel, welcher alle anderen gleichzeitig beruhigt. Durch die Definition von Normalität nimmt man sich selbst in Schutz. Alles ausserhalb der Normalität muss man nicht erreichen und sie kann dazu noch selbst definiert werden.

 

Was aber genau "normal" ist, wird unterschiedlich wahrgenommen. Es hängt mit den gesellschaftlichen Strukturen und den kulturellen Faktoren zusammen, wie auch mit dem Wandel der Zeit. Sie merken dies besonders, wenn Sie auf Reisen sind und plötzlich Ihr "normales Verhalten" kritisch beäugt wird. Was für Sie normal ist, gilt an einem anderen Ort als komisch. Befinden Sie sich an einem fremden Ort, empfinden vielleicht auch Sie vieles als "nicht normal", obwohl eine ganze Gesellschaft in dieser Form vor Ort so lebt. Auch im Gespräch mit älteren Personen bemerkt man oftmals einen Unterschied bei der Definition von Normalität. Seien wir also offen für Unbekanntes und weniger vorschnell mit dem Stempel der Normalität.


Stempel Normal
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Hauptsache gesund

Wie mich diese zwei Worte nerven. Immer wieder geht es bei werdenden Eltern im Gespräch um dieselbe Frage: "Ist es ein Junge oder ein Mädchen." Egal wie die Antwort ausfällt, irgendwann im Gespräch heisst es "hauptsache gesund". Das gehört auch zur Definition von Normalität, denn normal ist laut dieser Aussage, wer gesund ist. Behinderungen sind schwer zu verstehen und der Umgang mit Menschen die eine Behinderung haben, ist oftmals anders, als bei Menschen ohne Behinderung. Auch hier wird schnell die Normalität ergriffen um mit der Situation zurecht zu kommen. Viele definieren Behinderungen, egal welcher Art, als "nicht normal"und entschuldigen damit ihr eigenes Verhalten. Doch mit welchem Recht erklären wir einen Menschen als "nicht normal"? Nicht nur die Betroffenen selber kämpfen immer wieder mit Blicken und Vorurteilen, auch deren Angehörige sind oftmals im Fokus des Interesses und dies ohne eigenes Verschulden.

 

 "Behinderung ist kein vorgegebener Zustand, sondern beruht auf der Zuschreibung von Erwartungshaltungen durch die Anderen. Der Mensch mit einer Behinderung ist 'in unerwünschter Weise anders`(Goffman), er weicht von wie auch immer bestimmbaren Normen ab. Die Behinderung ist im Wesentlichen das Resultat sozialer Reaktionen. Der behinderte Mensch wird typisiert, etikettiert, stigmatisiert, kontrolliert. Behindertsein ist von daher ein Zwangsstatus." (Cloerkes 2001)

 

Diese Definition trifft es aus meiner Sicht auf den Punkt. Für die betroffene Person ist es wie erwähnt ein Zwangsstatus, welcher von aussen gegeben wird. Einem Zwang ausgesetzt zu sein ist nicht schön. Wir als Gesellschaft können diesen Status verändern, indem wir alle Menschen zur Menschheitsfamilie (Dr.Ganser) zählen und niemanden ausschliessen. Die Schule versucht es teilweise mit der Integration und einige Stimmen streben sogar eine Inklusion an. Hier empfinde ich weniger die Form, als vielmehr den Versuch einer möglichen Partizipation (Teilhabe) aller Menschen als erstrebenswert. Die Theorie der selbsterfüllenden Prophezeiung ist vielen bekannt. Es geht darum, dass etwas geschieht, wie man es erwartet. Nehmen wir alle Menschen als "normal" an, so wird auch unser Zusammenleben normal erlebt und der Zwangsstatus verschwindet.

Bildungsangebote zum Thema findest du hier


Quellen:

  •  https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Gl%C3%B6ckner_von_Notre-Dame
  • Cloerkes, G.(2001). Soziologie der Behinderten. Eine Einführung (2.Auflage). Heidelberg: Winter "Edition S".
  • Handout aus der Vorlesung an der HfH : Blick auf Behinderung aus interaktionistischer Sicht von Concita Filipini und Carlo Wolfisberg, 14.9.2011

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Kommentare: 1
  • #1

    Nadja Evison (Mittwoch, 07 November 2018 12:35)

    Vielen Dank für den interessanten Bericht.
    Mit normal und nicht normal beschäftige ich mich schon lange und finde es einfach nur toll von Dir zu lesen dass es normal ist verschieden zu sein.